Alles anders?

 

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Aktualisierung:
18.03.2018

 

Es ist zwar nicht alles anders als an einer deutschen Inlandsschule, aber es gibt doch gravierende Unterschiede. Im Folgenden möchte ich versuchen, einige Unterschiede (in alphabetischer Sortierung) der Deutschen Schule in La Herradura zu einer Schule in der BRD darzustellen:

Abitur Informatik Schulstruktur
Appell Klassen Sprache
Bimester Kollegium Stundenplan
Ferien Naturwissenschaften Zensuren

Dabei erhebe ich keinen Anspruch auf absolute Objektivität, sondern natürlich kann (und will) ich eine persönliche Sicht nicht ausklammern. Natürlich kann diese Seite auch nicht vollständig sein, ich werde immer wieder Ergänzungen und Änderungen einfügen.
Vieles ist durch die SEP, die mexikanische Schulbehörde, per Dekret vorgegeben und - das muss man einfach so feststellen - behindert ein vernünftiges Unterrichten und eine effektive Wissensvermittlung, so etwa die Einteilung des Schuljahres in 5 Bimester.


Abitur

Die deutschen Auslandsschulen bieten die Möglichkeit, ein Abitur abzulegen, das dem in Deutschland entspricht. Dieses Abitur wird in Deutschland anerkannt und ermöglicht - im Gegensatz zu ausländischen Reifeprüfungen, die in der BRD nicht so ohne weiteres akzeptiert werden - ein Studium ohne weitere vorherige Prüfungen. Deshalb ist ein Abschluss an einer deutschen Auslandsschule auch bei vielen ausländischen Schülerinnen und Schülern begehrt und die Anzahl der einheimischen Kinder übertrifft - wenn es das Bildungssystem des jeweiligen Landes einen Besuch an der deutschen Schule zulässt - in der Regel die der deutschen Kinder.


Appell

Jeden Montag findet zu Beginn der 1. Stunde ein Fahnenappell statt. Die Fahnen Mexikos und der BRD werden präsentiert und eine Runde übern Appellplatz getragen, die Nationalhymnen beider Staaten gespielt und der Schulleiter (oder ein anderes Mitglied der Schulleitung) richtet einige kurze Worte an die Schülerinnen und Schüler. Seit Anfang 2009 wird zusätzlich zu den beiden Nationalhymnen noch die Hymne des Estado de Mexico (in dem unsere Schule liegt) intoniert. Man getraut sich gar nicht zu fragen, ob die Stadt Huixquilucan vielleicht auch noch eine eigene Hymne...

Zu besonderen Feiertagen finden Extraappelle statt, die mit einem kleinen Programm dem Anlass gewidmet sind.
Einige Ähnlichkeiten mit Fahnenappellen an einer POS/EOS sind nicht völlig von der Hand zu weisen, aber so richtig das Gleiche ist es nicht, sondern viel paramilitärischer.


Bimester

Das Schuljahr ist in fünf Abschnitte eingeteilt, die - keiner weiß warum - Bimester heißen. Am Ende jeden Bimesters gibt es ein Zeugnis. In den meisten Fächern ist pro Bimester eine Klassenarbeit fällig, die 50% der Bimesternote ausmacht. Die anderen 50% ergeben sich aus 2-3 Zensuren für Leistungskontrollen u. ä., manchmal auch - nicht bei uns - aus Luftbuchungen.


Ferien

Ferien - was ist das?

Die Anzahl der Ferientage ist deutlich geringer als von zu Hause gewohnt. Es gibt Weihnachtsferien (zweieinhalb Wochen), (zweieinhalb Wochen) Osterferien und die großen Ferien im Sommer (6 Wochen). Ansonsten unterbrechen lediglich vereinzelte längere Wochenenden auf Grund von Feiertagen die (zu) langen Phasen zwischen den Ferien.

Die Schüler waren kurz vor Weihnachten, nach 17 Wochen ohne Pause, restlos "breit". Und bei denen kann diese schier endlose Strecke niemand damit begründen, dass sie schließlich Geld dafür bekommen. Man kann es nachvollziehen, dass den Kindern irgendwann "die Luft ausgeht". Ferien haben ja eigentlich auch den (pädagogischen) Zweck, Erholungsphasen für die Kinder zu schaffen. Aber es regiert wie an vielen Stellen der Schule "Quantität statt Qualität": Hauptsache, es wird viel gemacht, ob es sinnvoll ist und zu einem vernünftigen Ziel führt, ist zweitrangig.


Informatik

Mit dem Stellenwert des Fachs Informatik kann man als Informatiklehrer aus Sachsen nicht zufrieden sein. Während Informatik zu Hause am Gymnasium bereits in der 5. und 6. Klasse im Fach Technik/Computer integriert ist, in der 7. und 8. (in der Mittelschule sogar bis zur 10. Klasse) ein eigenständiges Fach ist und in der 9. und 10. Klasse im Profilunterricht fortlebt, gibt es hier den Informatikunterricht erst in der Secundaria.
Dass die Zeiten, in denen die vorhandene Technik aktuell war, schon paar Jahre zurückliegen, ist zu verkraften. So hoch sind die Ansprüche der schulischen Ausbildung nicht, als dass man nicht auch mit etwas älteren Geräten arbeiten könnte - wenn sie vernünftig funktionieren würden, virenfrei wären (bzw. überhaupt einen Virenschutz hätten) und vielleicht ein Mindestmaß an Netzwerk existieren würden. Dass dies auch in Mexiko möglich ist, beweisen die Netzwerke in Lomas Verdes und Xochimilco.
Wenn man mit der Begründung geholt wird, dass jemand für den Fachbereich Informatik und den Info-Unterricht gesucht wird, und sich diese Aussage als schlechter Scherz herausstellt, ist man natürlich sauer. Erst recht, wenn Leute ohne Ausbildung, ohne Ahnung und ohne Lust sich im Informatikunterricht versuchen und dieser "Unterricht" quasi in der Stillbeschäftigung der Schüler im WWW gipfelt.


Kollegium

Das Kollegium in La Herradura besteht aus ca. 60 Kolleginnen und Kollegen aus beiden Nationen sowie einer Kollegin aus Österreich und einem Schweizer. Die ADLK (derzeit 4) sind in der Minderheit, aber es sind - neben den mexikanischen Kolleginnen und Kollegen natürlich - auch viele deutsche Kolleginnen als Ortslehrkräfte (OLK) angestellt.


Klassen

in Mexiko entspricht in BRD
1 / 2*
3
4
5
6
7
I° Sec. 8
II° Sec. 9
III° Sec. 10
Preparatoria Sekundarstufe II

* Auf Grund einer Änderung der Klassenbezeichnungen (die eigentlichen ersten Klassen wurden vor 2008 als "Subprimaria" bezeichnet) gibt es im Schuljahr 2008/09 lt. Nummerierung sechs "erste Klassen" - drei 1. Klassen, die tatsächlich das erste Schuljahr absolvieren und drei Klassen, die im zweiten Schuljahr sind, aber noch die Nummer 1 tragen. Entsprechend wird sich diese Doppelnummerierung in den nächsten Jahren in die jeweils nächste Klassenstufe verschieben, bis einmal die Klassen der Primaria die Bezeichnungen 1 bis 7 tragen werden.


Naturwissenschaften

Mit den Naturwissenschaften Biologie, Chemie und Physik sieht es in Mexiko nicht toll aus. Der regelrechte Fachunterricht startet erst in der 8. Klasse (I° Sec.), während z. B. in Sachsen Biologie ab der 5., Physik ab der 6. und Chemie ab der 7. Klasse unterrichtet wird. Aber da man sich am Colegío Alemán an den baden-württembergischen Lehrplänen orientiert, muss man eben Abstriche hinnehmen. In Chemie beispielsweise werden in der Klasse 11 Lerninhalte vermittelt, die in Sachsen bereits in Klasse 9 ausführlich behandelt werden.


Schulstruktur

Mexiko Klassen / Alter entspricht in BRD
Kindergarten    
Primaria Klassen 1° - 6° Grundschule und Orientierungsstufe
Secundaria Klassen 8 - 10 Sekundarstufe I
Preparatoria Klassen 11 - 13 Sekundarstufe II

Sprache

Eigentlich sollten in der Secundaria alle Fächer - außer Spanisch und Englisch natürlich - auf Deutsch unterrichtet werden (so auch die vorher beim Bewerbungsgespräch gegebene Zusage). Da aber nicht in allen Fächern deutschsprachige Fachlehrer zur Verfügung stehen, werden etliche Fächer in Spanisch unterrichtet. Dies ist natürlich einerseits ein Handicap für deutsche Schüler, die (auf Grund der beruflichen Tätigkeit der Eltern) ohne oder nur mit geringen Spanischkenntnissen an die Schule kommen und nun damit konfrontiert werden, dass die Hälfte des Unterrichts für sie nicht verständlich ist. Zum anderen wäre eine möglichst weitreichende Anwendung der deutschen Sprache sehr hilfreich für die mexikanischen Schülerinnen und Schüler, die das deutsche Abitur absolvieren wollen.

In der Primaria werden lediglich Deutsch (da geht es nicht auf Spanisch *g*) und Mathematik auf Deutsch unterrichtet. Das enttäuscht auch Eltern, die ihre Kinder genau wegen des Erlernens der deutschen Sprache aufs Colegío Alemán schick(t)en und sich viel mehr Fächer in der Fremdsprache erhofft hatten.


Stundenplan

Der Stundenplan für die Klassen ist schon arg anstrengend: In der Primaria (also bis zur Bis zur Klasse 6°) haben die Schüler jeden Tag 6 Stunden. In der Secundaria Montag bis Donnerstag jeweils 8 (!) Stunden, am Freitag 6 Stunden. Anzumerken ist, dass ein Wochensoll von 38 Stunden bei weitem das übertrifft, was an Schulen in Deutschland üblich ist. Hier wird den Kindern faktisch der vollen Arbeitstag eines Erwachsenen zugemutet und die Effektivität bleibt auf der Strecke. Rechnet man noch hinzu, dass viele Kinder eine längere Fahrt mit dem Schulbus zurücklegen, so ist ein Zehn-Stunden-Tag nichts Außergewöhnliches.

Ein sächsischer Gymnasiast hat in der Abiturstufe im Schnitt 32 Wochenstunden - und damit ist er vollkommen ausgelastet. Hier am Colegío Alemán sollen die Schüler in der Abiturstufe dann 40 Wochenstunden verkraften.
Bei so einem überfüllten Stundenplan ist das eigentliche Ziel eines Gymnasiums, die Vorbereitung auf ein Hochschulstudium, nicht zu schaffen. Anstatt den selbständigen Wissenserwerb zu üben, zielt das mexikanische Schulsystem eher auf ein kurzschrittiges Frage-Antwort-Spiel ab, bei dem leider - wie wir im Unterricht feststellen mussten - eigenständiges Arbeiten und Problemlösen auf der Strecke bleiben.

Für den (Mathe-)Lehrer ist der Stundenplan dahingehend etwas langweilig, dass man - bei den 5 Wochenstunden Mathematik (daran könnte man sich in Deutschland ein Beispiel nehmen - jeden Tag jede Klasse sieht, denn Doppelstunden gibt es faktisch nicht. Und die vermissen wir vor allem in den größeren Klassen, denn z. B. zweistündige Klassenarbeiten gibt es zu Hause schon ab der 6. Klasse.

Mein Rekord von 11 (!) Freistunden pro Woche sorgte lange Zeit dafür, dass ich faktisch jeden Tag von der 1. bis zur 8. Stunde in der Schule war. Die Bitte um Änderungen wurde mit einer primitiven Begründung abschlägig beschieden. Inzwischen hat zwar neue Stundenplan an einem Tag etwas Entspannung gebracht, aber an einer richtigen deutschen Schule wäre so ein Plan immer noch undenkbar.


Zensuren

Die offizielle Zensurenskala geht von "10" (entspricht der deutschen "1") bis "5" (= deutsche "6"). Dabei sind die entsprechenden Prozentsätze im Punktesystem durch die SEP vorgegeben: ab 90% gibt es die 10, ab 80% die 9, ..., ab 50% die 6 und für weniger als die Hälfte der möglichen Punkte gibt es die 5.

Obwohl es eigentlich nur die Zensuren 5, 6, 7, 8, 9 und 10 gibt, erteilen KollegInnen für LKs und Klassenarbeiten auch gebrochene Zensuren wie 8,4 oder erweitern die Zensurenskala eiskalt nach unten um die Zensuren 1 bis 4. Das ist zwar illegal, aber dieses System wird geduldet. Widerspruch seitens der Schüler und Eltern gibt es auch nicht, weil man dann Repressalien der LehrerInnen befürchtet.

Für eine Versetzung in die nächste Klassenstufe ist es in jedem Fach erforderlich, dass die Summe aller 5 Bimesternoten mindestens 30 beträgt, also im Durchschnitt eine "6" erreicht wird. Für die Versetzung von der 6° der Primaria in die Secundaria ist sogar ein Durchschnitt von 7,0 notwendig. Für die Versetzung von der III° Sec. (= 10. Klasse) in die Abiturstufe muss ein Schüler fürs deutsche Abi einen Schnitt von 7,5, fürs mexikanische Abi 7,0, schaffen.

Wenn ein Schüler in einem Fach nicht die notwendige 6,0 erreicht, darf er eine Extra-Klassenarbeit von 90 Minuten über den gesamten Stoff des Schuljahres schreiben. Diese geht mit 70%, die zuvor erreichte Note zu 30% ein - damit muss nun die 6,0 geschafft werden, um die Versetzung doch noch zu schaffen.
Rechenbeispiel: Im Schuljahr wurde der Durchschnitt von 5,0 erzielt (schlechter geht es nun wirklich nicht). Nun reicht eine 7 in der Zusatz-Arbeit, denn 7,0 x 0,7 + 5,0 x 0,3 = 6,4. Klarer Vorteil für halbwegs intelligente Faultiere.

Die Zeugnisnoten werden in der Regel (die von der Ausnahme bestätigt wird) aus den im Bimester erteilten Noten ermittelt. Eine Wichtung der Zensuren erfolgt ähnlich wie in Deutschland, so geht z. B. die Klassenarbeit des Bimesters mit 50% in die Zeugnisnote ein. In jedem Bimester geht es bei Null los, d. h. die Zensuren der vorhergehenden Bimesters sind ad acta gelegt.

Bei einer Bimesterlänge von 6 bis 8 Wochen muss man ständig irgendwelche Leistungskontrollen schreiben / veranstalten, um am Bimesterende für jeden Schüler die notwendige Anzahl Zensuren zu haben (mindestens 2-3 Noten neben der Klassenarbeit). Das mag ja in Fächern mit vielen Wochenstunden (Mathe, Deutsch) noch halbwegs funktionieren, aber z. B. in Chemie mit 2 Wochenstunden in einem Schuljahr 15 bis 20 Zensuren pro Schüler zu vergeben, ist eigentlich unvorstellbar. Zumal man ja "nebenbei" den Schülern noch etwas Stoff vermitteln soll.

Teilweise werden auch (nicht von uns) imaginäre Zensuren für Mitarbeit, Anwesenheit und andere "objektive" Leistungen vergeben. Da ist man mit Mathematik und Chemie fein raus, denn es gibt genügend Fakten, die nachvollziehbar bewertet werden können. Auch wenn das manche Schüler nicht verstehen wollen und regelmäßig zum Bimesterende mit der "goldenen Kralle" versuchen, noch eine gute Zensur abzustauben, die die vorherigen Nicht-Leistungen etwas korrigieren. Von Eltern wurde auch schon mal verlangt, die Zensur auf dem Zeugnis für den Sprössling doch einfach um ein Grad nach oben zu korrigieren. Und "Wünsche" nach einer guten Zensur werden gelegentlich mit dem Angebot eines Geschenks untermauert...

(wird immer mal wieder ergänzt)

 

 

 


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